Holzklau und Rodungen am Rande der Legalität bedrohen
Ökosystem und lokale Gemeinden. In
Südrumänien hat bereits die Verwüstung eingesetzt. Die lückenhafte Umsetzung des Forstgesetzes
sowie Korruption und niedrige Löhne drohen Rumänien seines
Waldreichtums zu berauben. Die halb- und illegalen Waldrodungen
zeigen vor den Parlamentswahlen Grundprobleme des EU-Staates auf.
Paul Flückiger, Tirgu Mures (2012)
Tudor Herlea, der Oberste Forstamtschef des Landkreises
Tirgu Mures, versteht die ganze Aufregung nicht. Alle Papiere seien
in Ordnung, der Managementplan sehe vor, bis 2017 91 Prozent des
Waldes von Panet abzuholzen. „Der Wald ist in einem sehr schlechten
Zustand; dennoch habe ich entschieden, dass wir nur die Hälfte der
Bäume fällen“, sagt er in seinem warmen Büro unten in der
Gebietshauptstadt.
Rund ein drittel der Fläche Rumänien ist bewaldet.
Zwei Drittel davon entfallen auf den transsilvanischen Karpatenbogen,
wo auch der grösste zusammenhängende Primärwald Europas erhalten
ist. Ein Teil davon ist geschützt. Forstfachleute jedoch
kritisieren, dass auch der Nutzwald mangels Infrastruktur nur
punktuell bewirtschaftet wird und es oft zu einer Übernutzung von
bis zu 200 Prozent kommt. Erosion, Überschwemmungen und vor allem im
Süden des Landes bereits Verwüstungserscheinungen sind die Folge.
Doch bereits Hundert Kilometer östlich von Panet, im
Landkreis Harghita sind die Folgen des Raubbaus unübersehbar. Auf
der Ostseite des Bucin-Berzont Gebirgspasses sind die meisten Hügel
rund um das Dorf Joseni kahl. Eine frische, mehrere Hundert Meter
breite Schneise zieht sich einen noch bewaldeten Bergkamm hoch. Vor
zwei Jahren wurde hier im Kerngebiet der so genannten „Holzmafia“
der Vizebürgermeister ermordet. Die einen kolportieren Gerüchte von
einem Liebesdrama, andere sehen Geschäfte mit dem Wald im
Hintergrund. Im Nachbardorf Remeatea findet sich indes niemand, der
über die Gründe für den Kahlschlag sprechen will. Jeder könne
leicht erkennen, wer sich schnell bereichert habe, doch Namen nenne
er keine, sagt ein gewisser Karoly, ein Ungar, wie die meisten
Bewohner in dieser Gegend. Als ein Forsttechniker vor sechs Jahren
seinen Chef des Holzdiebstahls bezichtigte, verlor er sofort die
Stelle.
Weniger der weit verbreitete, doch insgesamt kleine
Diebstahl als die mangelhafte Umsetzung des Forstgesetzes sei das
Hauptproblem erklärt WWF-Direktor Csisbi Magor in der fernen
Hauptstadt Bukarest. Die jährlich erlaubte Holzschlagmenge würde
für jedes Waldstück errechnet, selbst ein Computersystem sei
geschaffen worden, mit dessen Hilfe man jeden gefällten Baum bis zum
Endprodukt verfolgen könne. „Aber was nützt es, wenn
Gewinninteressen und Korruption die Umsetzung verhindern?“,
verwirft Magor die Hände. Nicht nur im Forstwesen hält Rumänien
zusammen mit dem Nachbarland Bulgarien EU-weit den Korruptionsrekord.
„Für die schlecht bezahlten Forstbeamten ist der Wald die einzige
Geldquelle“, erklärt Magor.
Doch bereits droht den rumänischen Wäldern neuer
Unbill. Kurz vor den Parlamentswahlen vom 9. Dezember haben mit der
Holzwirtschaft verbundene Abgeordnete verschiedener Parteien im
Parlament ein neues Forstgesetz eingebracht. Es sieht eine
Verdreifachung der erlaubten Holzschlagmenge vor. Nach Protesten von
Umweltverbänden hat Übergangspremier Viktor Ponta den
Naturschützern seine Unterstützung versichert. Der Post-Kommunist
Ponta dürfte die Wahlen haushoch gewinnen, doch Magor macht sich
dennoch Sorgen. Damit steht er nicht allein. Schon seit Jahren gelten
in Rumänien politische Versprechen wenig, die Abgeordneten wechseln
Parteien wie ihre Hemden und stimmen wofür sie am meisten Geld
kassieren können. Nach über 40 Jahren Kommunismus gilt ihnen der
Staat als Selbstbedienungsladen, fast täglich warten die rumänischen
Medien mit neuen Korruptionsskandalen auf. Dazu kommt, dass Ponta bei
seinem Bestreben, den verhassten liberalen Staatspräsidenten Traian
Basescu abzusetzen, gezeigt hat, dass ihm weder Gesetze noch
Verfassung viel gelten. „Wenn Pontas Macht bei den Wahlen
legitimiert wird, sehe ich schwarz für die Rechtssicherheit in
Rumänien“, warnt Pontas liberaler Vorgänger Emil Boc in einem
Gespräch mit der NZZ am Sonntag.
Boc sitzt heute wieder als Bürgermeister im Rathaus
der Stadt Cluj (Klausenburg), in dessen Umland viele Wälder noch
weitgehend intakt sind. Hundert Kilometer östlich, in Panet bei
Tirgu Mures will der parteilose Bürgermeister weder auf den
Wahlausgang noch die Politiker warten. „Wenn nötig, mobilisiere
ich erneut das Dorf, um unsern Wald zu verteidigen“, droht Mihaly
Bartha. Doch Dörfer mit einer intakten Sozialstruktur wie Panet
werden in dem schwer von Wirtschaftskrise heimgesuchten Rumänien
immer seltener. „Unser Grundproblem ist, dass es keine lokale
Gemeinschaftsstruktur mehr gibt“, sagt Umweltaktivist Magor.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen