Kein polnischer Schriftsteller kokettiert
so gekonnt mit der Rückständigkeit wie Andrzej Stasiuk. Keiner hat damit so
viel Erfolg wie sein Hausverlag „Czarne“. Beheimatet in den Beskiden, dem
abgelegenen südostpolnischen Karpatenfuss, erobern beide die Welt. Stasiuk mit
seiner Mischung aus post-kommunistischem Industrierott, verquerer Bauernidylle
und erträglichem Alkoholismus, seine Lebenspartnerin Monika Sznajdermann mit
dem ambitionierten Belletristik- und Reportageprogramm des mehrfach
preisgekrönten Kleinverlages.
Stasiuks literarischen Reisetexte – gerade fortgesetzt in „Taksim“ (auf polnisch bereits 2009) - mögen für den mit den beschriebenen Gegenden Vertrauten manchmal etwas zu dick aufgetragen erscheinen, den Daheimgebliebenen aber eröffnet er ein liebenswürdiges Portrait einer vergessenen Welt am Rande (oder besser: in der Mitte!) Europas – und dies in einer poetischen Sprache, die ihresgleichen nicht nur in Polen sucht.
Der Erfolg von Stasiuks „Reise nach Babadag“ geht
in etwa einher mit einer leichten Wegbewegung des „Czarne“-Verlags von der
klassischen Belletristik hin zur literarischenReportage. Seit fünf Jahren gibt
es in dem 1996 gegründeten Privatverlag dafür eine eigene Reihe, in der bisher
etwa 60 (von insgesamt rund 400) Bücher veröffentlicht wurden. Ein
Reportageband über Tschechien, den Lieblingsnachbar der Polen, machte den
Anfang, später folgte Deutschland und gleich mehrere Bände des polnischen
Reporters Jacek Hugo-Bader über Russland. Wie Stasiuks Geschichten folgen sie
alle bevorzugt den einfachen Leuten, meist fernab der Zentren. Im letzten Jahr
gab der Verlag einen viel beachteten Essayband über Odessa - „Odessa Transit“,
u.a. mit einem Essay von Karl-Markus Gauss - heraus. Begonnen hatte
Verlagsgründerin Sznajdermann mit der Reihe „Ein anderes Europa – eine andere
Literatur“.
Neben Dubravka Ugresic und dem ukrainischen Jungtalent Serhij Zadan erscheinen in jener Reihe auch für viele noch weitgehend unbekannte Autoren aus Albanien oder Litauen zum Beispiel. Viele davon hätten sich „dramatisch schlecht“ verkauft beklagte sich Sznajdermann einmal. Zu den polnischen Marktführern gehört ihr kleiner „Czarne“-Verlag mit seinem knappen Dutzend Angestellten nicht, zählt man allerdings die Literaturpreise der verlegten Autoren zusammen, dann befindet sich in Wolowiec in den Beskiden ein Imperium.
Fot. Wikipedia
Paul Flückiger
Dabei stammen beide alles andere als aus
der Provinz. Aufgewachsen in Warschau, dem Zentrum des zentralisierten
Volkspolens, und umgeben von der dortigen Boheme – wie auch den kommunistischen
Spitzeln - haben sie sich Mitte der Neunzigerjahre von der Grossstadt
abgewandt. Monika Sznajdermanns Eltern, der Vater ein Überlebender des
Warschauer Ghettos, verliessen Polen selbst nach den antisemitischen Exzessen
von 1968 nicht. Andrzej Stasiuk war schon immer ein Querdenker und Rebell, wie
in seiner 1998 von „Czarne“ auferlegten Autobiographie – oder nach Stasiuk:
„Autoportrait – Versuch einer intellektuellen Autobiographie“ – nachzulesen
ist. Er schwänzte den Unterreicht und zog stattdessen durch die Spelunken des
übel angesehenen Stadtteils Praga, trank mit Punks und Untergrundkünstlern bis
er von den Schule geschmissen wurde. Aus dem obligatorischen Wehrdienst machte
sich Andrzej Stasiuk selbstverwaltet davon. Als Deserteur kam er über
anderthalb Jahre in den Knast. Ein politischer Häftling, denn Stasiuk
engagierte sich in der ob all des Solidarnosc-Taumels heute auch in Polen
weitgehend vergessenen pazifistischen Oppositionsbewegung „Wolnosc i Pokoj“
(„Freiheit und Frieden“).
Doch ein Held sein wollte der 1960 im
Stadtteil Praga zur Welt gekommene Stasiuk noch nie. 1986 verliess er die
Hauptstadt und zog in ein kleines Dorf in den Beskiden. Als Warschauer würde er
dort manchmal von den Einheimischen immer noch bezeichnet, regt sich der
Aussteiger in einem Interview mit dem Privatsender TVN noch heute auf. Dabei
gehörte Stasiuk zu den Ersten in einer ganzen Reihe von Untergrundkünstlern der
Wendezeit, die dem Kultur-Moloch Warschau den Rücken kehrten und ihr Heil in
der Weite des polnischen Karpatengürtels suchten – darunter auch seine
Jugendfreunde aus dem intellektuellen Punkermillieu rund im die Band „Kryzys“.
Wie Stasiuk pendeln sie zwischen den zwei Welten – dem rückständigen polnischen
Dorf und der modernen, pulsierenden Hauptstadt.
Doch niemand vermochte die vermeintliche
Idylle des mittelosteuropäischen Dorfes besser einzufangen als Andrzej Stasiuk.
Sein „Weisser Rabe“ (1995, deutsch: 1998) und die später verfilmten
„Galizischen Erzählungen“ (1995, deutsch: 2002) sprudeln von Metaphern und
beschreiben mit dicht gewobener Poesie das Zusammenleben von Mensch und Tier,
Arbeit, Landschaft und lokalen Mythen.
Stasiuk allerdings lenkt seinen Schritt
wenn immer möglich weg von den Zentren, selbst die nahe Künstlerhochburg Krakau
bedeutet ihm wenig, eher macht er sich auf über die Grenze in die nahe Slowakei
oder den weiter südlich liegenden Balkan.
Mit seiner „Reise nach Babadag“ (2004, deutsch: 2005) landete er in Polen einen Grosserfolg. 90000 Exemplare konnte sein Hausverlag „Czarny“ davon alleine in den ersten 5 Jahren verkaufen. In Polen hatte das Buch eine Welle an neuem Interesse an den noch ärmeren Nachbarn Südosteuropas geweckt. Und so wurden unter jungen Polen plötzlich Reisen in die vergessene Republik Moldau oder gar nach Albanien beliebt. Vor allem aber kam die „Reise nach Babadag“ auch im Westen gut an; das Buch wurde inzwischen in über 15 Sprachen übersetzt.
Mit seiner „Reise nach Babadag“ (2004, deutsch: 2005) landete er in Polen einen Grosserfolg. 90000 Exemplare konnte sein Hausverlag „Czarny“ davon alleine in den ersten 5 Jahren verkaufen. In Polen hatte das Buch eine Welle an neuem Interesse an den noch ärmeren Nachbarn Südosteuropas geweckt. Und so wurden unter jungen Polen plötzlich Reisen in die vergessene Republik Moldau oder gar nach Albanien beliebt. Vor allem aber kam die „Reise nach Babadag“ auch im Westen gut an; das Buch wurde inzwischen in über 15 Sprachen übersetzt.
Stasiuks literarischen Reisetexte – gerade fortgesetzt in „Taksim“ (auf polnisch bereits 2009) - mögen für den mit den beschriebenen Gegenden Vertrauten manchmal etwas zu dick aufgetragen erscheinen, den Daheimgebliebenen aber eröffnet er ein liebenswürdiges Portrait einer vergessenen Welt am Rande (oder besser: in der Mitte!) Europas – und dies in einer poetischen Sprache, die ihresgleichen nicht nur in Polen sucht.
Neben Dubravka Ugresic und dem ukrainischen Jungtalent Serhij Zadan erscheinen in jener Reihe auch für viele noch weitgehend unbekannte Autoren aus Albanien oder Litauen zum Beispiel. Viele davon hätten sich „dramatisch schlecht“ verkauft beklagte sich Sznajdermann einmal. Zu den polnischen Marktführern gehört ihr kleiner „Czarne“-Verlag mit seinem knappen Dutzend Angestellten nicht, zählt man allerdings die Literaturpreise der verlegten Autoren zusammen, dann befindet sich in Wolowiec in den Beskiden ein Imperium.
Mehr:
Kommentare
Kommentar veröffentlichen