Polens Ostseekurort Sopot
kämpft für mehr Anstand. Der liberale
Stadtrat des mondänen Ostseebades Sopot will Männer mit nacktem
Oberkörper künftig aus der Touristenmeile verbannen. Vielen
Urlauber zeigen Verständnis.
Paul Flückiger, Sopot
Die 27 EU-Justizminister
hatten sich gerade ihrem Hotel in Sopot (deutsch: Zoppot) für die
Fahrt zum Abendessen versammelt, da passierte es: Zwischen dem
Sheraton und dem „Hotel Grand“ schob ein nur mit einem Slip
bekleideter Mann ein Velo über das Trottoir. „In der Mitte des
Weges hielt er inne und schaute sich um“, erzählt eine
Mitarbeiterin des polnischen Europaministeriums indigniert.
Solches soll in Sopot bald
nicht mehr vorkommen. Wenn es nach dem Willen des Stadtrates geht,
werden Männer mit nacktem Oberkörper künftig strikt an den Strand
verbannt. „Wir sind ein Kurort und kein Chilbi-Rummelplatz“,
begründete Stadtratspräsident Wojciech Fulek den umstrittenen
Vorstoss in der Lokalpresse. Die Besucher des Ostseebads störten
sich an nackten Männeroberkörpern, erklärte Fulek und kündigte
an, ein Rechtsgutachten für ein allfälliges Bussenregime erstellen
zu lassen.
Viele junge Urlauber sehen
das anders. „Ich bin gegen diesen Quatsch, nackte Männer sind doch
cool“, meint Iwona aus Oswiecim (Auschwitz). In eine dicke Jacke
vermummt sitzt sie mit ihrem Freund am regenfeuchten Sandstrand:
„Nach Sopot kommt man doch zu feiern und ausspannen“.
Das mondäne Ostseebad
neben Danzig zieht seit Jahrzehnten nicht nur Kurgäste und Künstler
an sondern auch Polens Partygesellschaft. Neben den Heilquellen
gelten vor allem die Nachtclubs am „Monczak“ als Attraktion. Dazu
kommt das für die ganze polnische Ostseeküste typische, lockere
Strandleben. Doch nach einem Aufruf des Stadtrates, bei der
Unerziehung der Touristen mitzuhelfen, haben erste Kneipen jedoch
Warnschilder aufgehängt. „Nackte werden hier nicht bedient“,
heisst es nun hie und da.
Vor zwei Jahren sei er
noch selbst in der Badehose zum Laden gelaufen, erzählt Lukasz aus
den Masuren, doch heute würde er eine solche Initiative in Sopot
sofort unterschreiben. „Das ist einfach total unästhetisch“,
meint seine Freundin Ania. Bis hoch zur Kirche würden die Nackten am
warmen Tagen spazieren, das sei immerhin fast ein Kilometer, erzählt
sie.
Hinzu kommt, dass
ausgerechnet in Sopot die ersten Gipfeltreffen der polnischen
EU-Ratspräsidentschaft beherbergt. „Ich unterstütze diese
Initiative des Stadtrats aus ganzem Herzen“, sagt Joanna Sloczek,
die Direktorin der EU-Ratskoordination.
„Wir Frauen gehen doch
auch nicht oben ohne unter die Leute“, pflichtet die einheimische
Gymnasiastin Gosia bei. Die Kleiderordnung des Stadtrates soll
übrigens nur für Männer gelten. Frauen in Miniröcken und
Bikini-Tops seien selbstverständlich weiterhin willkommen, sagt
Stadtrat Fulek.
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