In Polen haben Exorzisten wieder Konjunktur. Bei Kaffee und Kuchen erklärt Pater Slawomir Plusa, wie er Besessene vom Teufel befreit und auf was man als Exorzist dabei achten muss.
Von Paul Flückiger (2008)
Ein träger Sommerwind schleicht um die Kirche der Heiligen Hedwig.
„Studentenpfarrei“ heisst es an dem schmiedeisernen Eingangstor; hohe Hecken
schirmen das Gelände gegen die umliegenden Wohnblocks ab, eine Oase der Ruhe im
Südwesten der Industriestadt Radom, 100 Kilometer von
Warschau. Waffen hat man hier einst produziert, heute aber darbt die Industrie,
dafür gibt es ein Technikum. Um die Studierenden kümmert sich Slawomir Plusa,
seit Jahresbeginn zugleich Exorzist der Diözese.
Plusa empfängt im kurzen Hemd mit einem kräftigen Handschlag und lädt
in seine Dienstwohnung im Pfarrhaus. Den Kaffee kocht er selbst, den
Erdbeerkuchen dazu haben ihm Studenten gebracht. Der 44-jährige ist nicht nur
einer der dienstjüngsten Exorzisten Polens sondern auch einer der wenigen, die
zum Gespräch mit der Presse bereit sind. Viel zu sagen
über den Kampf mit dem Teufel hätte etwa der Stettiner Exorzist Andrzej
Trojanowski, dem die Heilung Besessener aus Deutschland, ja ganz Europa, in
einer von ihm geleiteten exorzistischen Heilanstalt in Polen vorschwebt. Doch
Trojanowski scheut die Presse wie der Teufel das Weihwasser. „Es gibt eine Zeit
zum Reden, und eine zum Schweigen“, bescheidet er geheimnisvoll, empfiehlt ein
Buch des Chefexorzisten des Vatikan, Gabriele Amoth, und hängt abrupt den Hörer
auf.
Ganz anders Plusa. Zum Exorzismus ist er gekommen wie die Jungfrau zum
Kinde. Eine Frau aus seiner Gebetsgruppe sei schwer erkrankt, und er habe ihr
helfen wollen, erzählt Plusa. Das war im Januar, und weil er dahinter das
Treiben des Satans vermutete, hatte er sich an die Kurie mit der Hilfe um den
Rat eines Exorzisten gewandt. „Da hat mir der Bischof vorgeschlagen, gleich
selbst Exorzist zu werden“, erzählt Plusa und lächelt verlegen. Wegen eines
Todesfalls sei gerade eine Vakanz aufgetreten, denn jedes der 40 polnischen
Bistümer werde angehalten, mindestens zwei Exorzisten zu benennen.
Als Vorbereitung auf seinen neuen Beruf hatte der Bischof Plusa, der
neben Theologie auch Pädagogik und Psychologie studiert hat, an das jährliche
polnische Exorzistentreffen im Franziskanerkloster von Niepokolanow gesandt.
„Dort habe ich mir dann dieses Büchlein hier gekauft“. Pater Slawomir nimmt
eine knapp 80-seitige Gebetssammlung für Exorzisten mit lateinischen
Abkürzungen auf dem Umschlag aus dem Büchergestell.
Die ersten Fälle liessen nicht lange auf sich warten. Besorgte Eltern
zum Beispiel riefen Plusa zu ihrer Teeny-Tochter und baten um eine
Teufelsaustreibung. Die Gymnasiastin sei nachts um drei – der Teufelsstunde -
aus dem Schlaf aufgeschreckt und habe sich schrecklich gefürchtet, erzählt der
Exorzist. Auch seien ihr im Traum immer wieder der verstorbene Grossvater sowie
eine Schlange erschienen. „Besessen war das Mädchen aber nicht“, winkt Plusa
ab. Der Grund sei eigentlich banal gewesen: Die Vormieterin habe im
Schlafzimmer des Mädchens okultistische Rituale praktiziert. „Ich habe die
Wohnung mit Weihwasser besprengt, und seitdem schläft das Mädchen wieder“.
Von
rund 20 Exorzismusgesuchen in den ersten vier Monaten seiner Berufspraxis
hätten sich nur 3 als echte Teufelsaustreibungsfälle erwiesen, erzählt Pater
Slawomir freimütig.
Seit der vatikanischen Exorzismusreform von 1999 sind Exorzisten
weltweit angehalten, eng mit Psychologen zusammen zu arbeiten. Zudem muss jeder
Exorzismus heute vom zuständigen Bischof bewilligt werden. Unverrichteter Dinge
musste deshalb Plusa kürzlich heimkehren, als eine Mutter ihrer nach einer
Vergewaltigung schwer traumatisierte Tochter den Teufel austreiben lassen
wollte. „Die Tochter war ein Fall für den Psychiater, nicht für mich“, bedauert
Plusa. Doch solche Abklärungen würden ihn emotional sehr beschäftigen; er würde
natürlich für diese Frau beten, doch mehr könne er nicht tun.
Beten jedoch ist die Haupttätigkeit eines Exorzisten – nur, dass es
sich dabei um besondere Gebetsformeln handelt, die ein gewöhnlicher Priester
nicht anwenden darf. Nur rund 15 Minuten habe seine letzte Teufelsaustreibung
gedauert, erzählt Slawomir Plusa dann - eine klare Folge der eigenen Kehrtwende
des Besessenen. Jahrelang habe dieser mit seinem Gemeindepfarrer zusammen
gearbeitet, erst dann sei er für den letzten Akt gerufen worden. „Ich hatte
nicht einmal eine Stola dabei, die ich dem Mann auf das Haupt hätte legen
können“, erinnert sich Pater Slawomir.
Zum Glück aber seinen mehrere
Priesterkollegen zugegen gewesen, denn der Besessene hätte weder seinen Körper
noch seine Stimme beherrscht und übermenschliche Kräfte entwickelt. Zwei
Priester hätten den ehemaligen Unternehmer, der Jahre zuvor einen Teufelspakt
im Tausch für geschäftlichen Erfolg geschlossen habe, festhalten müssen,
während er, Plusa, dem „bösen Geist“ befohlen habe, von seinem Opfer
abzulassen. „Satan, fahre heraus!“, habe er befohlen und zum Beweis das
Gegrüsst-seist-du-Maria verlangt. Doch Luzifer leistete erbitterten Widerstand.
„Ich hasse dich, du Schwarzrock!“, habe er ihn verhöhnt. „Der Glaube aber gab
mir Ruhe“, sagt Plusa. Zudem hätten die Kollegen für ihn gebetet - diese
Unterstützung sei bei der Teufelsaustreibung besonders wichtig. Beim dritten,
spontan gesprochen Befehlsgebet schliesslich habe der Besessene mit
nicht-menschlicher Stimme langsam und mit sichtlicher Mühe, wie geheissen, die
Mutter Gottes gelobt. „Kurz vor 13 Uhr war der Mann vom Teufel befreit“, triumphiert Plusa
und bietet nun einen Schuss Amaretto in den Kaffee an. Wichtig seien weder
Formeln noch besondere Utensilien, sondern die Macht des Gebets.
„Ich wollte die Mitmenschen immer befreien, schon damals, als ich vor
19 Jahren ins Priesterseminar ging“, sagt Plusa. Im Westen allerdings - etwa in
der Schweiz, wo das Bistum Chur angeblich einen Exorzisten sucht - würde er
nicht praktizieren wollen. Da könne er ja nicht einmal von seinen
Priesterkollegen Verständnis für seine exorzistischen Fähigkeiten erwarten.
Nein, unter solchen Umständen wolle er nicht arbeiten.
Diese Reportage ist 2008 in der NZZaS erschienen.
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