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Der deutsche Filmregisseur Volker Schlöndorff hörte vor ein paar Jahren von Anna Walentynowicz und beschloss, auf der Grundlage ihrer turbulenten Biografie einen Film zu drehen. Gekonnt hat er in seinem neuesten Werk «Strajk - Die Heldin von Danzig» ihren entschlossenen Kampf gegen die kommunistischen Unterdrücker dargestellt. Er hat wohl aber nicht damit gerechnet, dass die kleine Frau mit derselben Kompromisslosigkeit und Prinzipientreue nun gegen seine Vision der polnischen Geschichte kämpfen könnte.
Ihr ganzes Leben hat sich die Kranfahrerin aus der Lenin-Werft für die Gerechtigkeit eingesetzt. Wegen ihrer Entlassung im Jahre 1980 brach der Streik in Danzig aus. Er war der erste Stein in der Lawine namens «Solidarnosc», die das Regime zu Bruch gehen liess. Nun protestiert Anna Walentynowicz heftig dagegen, dass im Spielfilm ihr Lebenslauf und die Entstehungskulissen der ersten unabhängigen Gewerkschaft Osteuropas manipuliert werden. Dem deutschen Regisseur, der ihr ein Filmdenkmal zu setzen versuchte, droht sie mit Gericht. Paradox? Nein, konsequent.
Erstaunt sah ich dem Produzenten des Films nach einer privaten Filmvorführung für die Protagonistin und ihre Freunde zu, wie er sich über die ehemalige Werftarbeiterin niederbeugte. Ein paar Minuten früher hatte genau dies auf der Leinwand ein Apparatschik getan. Beide versuchten die unnachgiebige Frau gnädig zu stimmen und erreichten dasselbe - nichts. «Verehrte Frau Walentynowicz, es ist nichts Schlimmes dabei, dass die Werftarbeiter im Film Wodka trinken. In jeder Werft der Welt trinken sie Wodka», bemühte sich Jürgen Haase zu beruhigen. «Aber das ist falsch. Niemand hat während des Streiks Alkohol getrunken», erwiderte Andrzej Gwiazda, einer der Mitbegründer der Gewerkschaft.
Die 78-jährige Walentynowicz selbst war nicht nur darüber empört, dass der Sohn der Filmheldin freiwillig den kommunistischen Streitkräften beitritt, obwohl ihr eigener von der Geheimpolizei verfolgt worden war. Sie störte sich auch daran, wie nonchalant Schlöndorff mit symbolischen Ereignissen umgehe. So rettet die Filmheldin den in der Werft gehassten Apparatschik vor der Lynchung. In der Wirklichkeit hätten die Streikenden hingegen alles getan, damit gerade diesem Menschen kein Haar gekrümmt wird. Warum? Weil er der Feind war und «Solidarnosc» eine friedliche Bewegung. Eine Kleinigkeit? Vielleicht. Aber nicht für diejenigen, die damals Geschichte, nicht nur jene Polens, geschrieben haben.
Wegen solcher Szenen ist der Film in Polen sehr umstritten. «Anna Walentynowicz ist nicht nur eine historische Gestalt. Sie lebt noch. Ein Regisseur hat ihr gegenüber Verantwortlichkeit - keine juristische, aber eine moralische», kommentiert Greg Zglinski. Der schweizerisch-polnische Regisseur («Tout un hiver sans feu») unterstreicht, dass er es nicht wagen würde, gegen den Willen der Person, auf Grundlage von deren Biografie das Drehbuch entstanden ist, die Fakten zu ändern. Auch wenn die Heldin, aus formellen Gründen, einen anderen Namen trägt. Dies sieht ein polnischer Drehbuchautor und Schriftsteller, Jacek Dabala, gelassener. Schlöndorffs Werk sei nur eine künstlerische Fiktion. Als Zuschauer komme er nicht auf die Idee, dass die Filmfiguren real seien. Diese Meinung ist aber selten.
Auch ich schaue aus polnischer Sicht auf diese Zeit, als der Kommunismus zu enden begann, und würde mir einen Film wünschen, der sowohl schön wie wahr ist. Da aber mein Wunsch vielleicht nie in Erfüllung geht, bin ich doch froh, dass ein deutscher Regisseur diesen Schritt gewagt hat.
Maria Graczyk
* Diese Glosse ist in der NZZ am 2.03.2007 erschienen.
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